Sagen

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Der Wassermann

Wassermann Zeichnung vo H.J.JankNykus genannt, sowie seine Gemahlin verlocken an See und Flüssen die Vorübergehenden zum Baden und ertränken sie sodann. Er thut dies auch mit Jedem, der in seinen Bereich kommt, denn er muß alle Jahre seine gewisse Anzahl Opfer bekommen, es seien nun Menschen oder Thiere. Wenn seine Frau an dem Ufer der Gewässer Wäsche trocknet, so ist regnerische Witterung und großes Wasser zu erwarten. Er erscheint in einer von einem Menschen in nichts unterschiedener Gestalt, und ist er auf trockenem Lande, so ist er unkräftig und man kann ihn gefangen nehmen und zu einem Diener machen. Mit seiner Frau zeugt er auch Kinder und diese gehen mit den Kindern der Menschen um. Die Töchter kommen auch wohl zum Tanze und verlieben sich in die hübschen Burschen. So kamen z.B. die Töchter des Wassermannes, wenn in der Schenke Musik war, vor alten Zeiten auch immer dahin und tanzten ohne Scheu mit den jungen Burschen. Sie waren sehr schön und dabei hübsch geputzt und von den andern Mädchen nur dadurch zu unter scheiden und als Töchter des Wassermannes zu erkennen, daß ihr Rock stets einen nassen Saum hatte. Die eine verliebte sich in einen Burschen, welcher der schöne Georg hieß, ebenso er sich in sie, aber er scheute sich doch, in ihre Wohnung mitzugehen. Der Wassermann hatte aber damals seine Wohnung in dem an der Spree gelegenen und der Herrschaft gehörigen Teiche, welcher den Namen Ramusch führt und durch den jetzt der Fluß geleitet ist. Er begleitete seine Geliebte öfters bis hierher und ging auch endlich mit ihr. Der schöne Georg erzählte hierauf, sie habe, als sie zu dem Teiche gekommen, eine neue Gerte genommen und damit ins Wasser geschlagen. Dieses habe sich nun getheilt und sie wären auf einem schönen grünberasten Wege zu der Wohnung des Wassermannes gekommen und in dieselbe hineingegangen. Dort wäre es sehr schön gewesen und man habe ihn außerordentlich gut aufgenommen etc.

Quelle: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen.
Band 2  Seite 197 bis 198 Dresden 1874 von Johann Georg Theodor Grässe

Geschrieben am 23. Februar 2013 | Abgelegt unter Sagen

Martin Pumphut

Martin Pumphut Handzeichnung von Grit Plobner

Handzeichnung von Grit Plobner

Martin Pumphut, der wandernde Müllerbursch, ist so eine Art Tyll Eulenspiegel, von dem man sich nicht nur in der Lausitz, sondern auch im sächsischen Voigtlande wunderbare Geschichten erzählt. Sein Name rührt her von einem großen spitzen Hut, den er zu tragen pflegte und der ihn überall kenntlich machte. Manche nannten ihn auch Graumännchen, weil er immer einen grauen Kittel trug. Martin Pumphut ist geboren in dem kleinen Dörfchen Spuhle bei Hoyerswerda. Bald nach seiner Geburt verschwand er einmal aus der Wiege, in der man statt seiner eine große, aber unschädliche Schlange fand. Die erschrockenen Eltern eilten sofort in alle Himmelsgegenden, um das Knäblein zu suchen. Als sie ihn nirgends fanden und verzweiflungsvoll nach Hause kamen, lag er wieder frisch und gesund in der Wiege.

Als er sechs Jahr alt war, zog eine Zigeunerbande durch das Dorf. Eine Zigeunerin, welche bei seinen Eltern bettelte, erblickte kaum das Kind, als sie wahrsagend ausrief, Martin würde weit in der Welt herumkommen, zwar in niederem Stande bleiben, aber viel Reichthümer erwerben, großes Aufsehen machen und endlich durch ein Frauenzimmer um’s Leben kommen. Der Knabe wuchs nun heran, lernte außer seiner wendischen Muttersprache auch noch die deutsche und zeichnete sich bald durch Schlauheit und Neigung zu lustigen Streichen vor seinen Altersgenossen aus. Auch will man Nachts, wenn er schlief, sonderbare Gestalten über seinem Haupte schweben gesehen haben, und wo er im Dunkeln ging, umhüpften ihn Flämmchen.

Wie die Sage erzählt, war Martin auf einer Auktion und wollte ein Bild ersteigern, auf dem ein Mann mit einem Hut abgebildet war. Martin aber hatte nicht genügend Geld und der Auktionär sagte: „Dein Geld langt für das Bild nicht, höchstens für den Hut.“ „Der Hut ist auch schon etwas.“ sagte Martin, warf das Geld auf den Tisch, stürzte auf das Bild zu, griff drauf, langte den gemalten Hut vom Bild runter, setzte ihn auf und war weg.

„Dr Hutt abr woar a kurjos Ding. Ar woar ver Filze, huch und spitz’g und hoatte unn an ganz breetn Rand. Sitt doas nö groade aus, oß hätt a ver ar Bumbehose’s Been ömgestölpt und uhfgesoatzt.“
 

Als er erwachsen war, lernte er die Müllerprofession und führte von nun an ein lustiges Wanderleben, indem er immer dem Wasser nach von Mühle zu Mühle ging. Wo es ihm gefiel, da blieb er, und für einen Schnaps und ein Stück Brot machte er den Leuten allerlei ergötzliche Schwänke und spaßige Dinge vor. Nur wo man ihm absichtliche schlechte Kost vorsetzte oder ihn gar hungern ließ, spielte er den Leuten arge Streiche. Sonst war es ein gar harmloser Kerl. Zu seinen übernatürlichen Künsten gehörte, dass er auf papiernen Kähnen die Flüsse passierte; Elbe, Saale und Mulde hat er auf diese Weise überschritten. Zuweilen ritt er auf einer großen Heuschrecke durch die Luft. In Budissin zerschnitt er einen Mühlstein, was man noch heute daselbst in der großen Mühle abgebildet sehen kann. Bei Dresden setzte er einmal bei großer Windstille alle Windmühlen in Bewegung, indem er durch ein Nasenloch blies, während er das andere zuhielt.

Als er durch Volkersdorf wanderte, zimmerte man eben eine Mühlwelle. Er bemerkte im Vorübergehen, dass sie ja viel zu kurz sei, aber man lachte ihn aus. Bald aber überzeugte man sich von der Wahrheit seiner Bemerkung, und als er wieder vorüberkam, bat ihn der Müller um Rath und Hülfe. Da dehnte mein Pumphut einfach die Mühlwelle aus, wie Brezelteig und setzte so die fehlende Elle zu.

Zu Heiligenbeil schleuderte er seine Axt an den Kirchturm, wo sie noch heute zu sehen ist.

In Leipzig ließ er im Gasthofe zum goldenen Siebe am hellen Tage zur Meßzeit eine Menge Hasen aus dem Kacheltopfe heraus- und wieder hineinspazieren.

Den Müllern, die ihm das übliche Geschenk verkürzten oder verweigerten, leitete er das Wasser ab. So machte er es z. B. mit einigen Saalmüllern. Wer ihn freundlich aufgenommen hatte, dem fehlte es nie an Wasser auf der Mühle.

Zu Wallengrün im Voigtlande zauberte er alle Fliegen, die im Zimmer waren, in seinen Hut, um ungestört essen zu können.

Einst wandert er ermüdet auf der Landstraße einher. Da kommt ein Roßtäuscher mit Pferden geritten. Lass mich ein Stück mitreiten, Kamerad, bittet ihn Pumphut. Aber der große Kerl hört gar nicht auf die Bitte des Ermüdeten. Dafür fand er am nächsten Morgen im Stalle statt seiner Pferde – Strohwische.

Lange Zeit hielt er sich beim General Sybilski auf. Dieser warf einst schwarze Haferkörner in den Kacheltopf, welche sich auf der Stelle in ein Fußvolk verwandelten, herauskletterten, sich auf dem Schloßhofe versammelten, manövrierten, sich wieder in ihre kupferne Kaserne begaben und als schwarze Haferkörner darin lagen. Pumphut langte aus einer am Fenster stehenden Mulde einige Erbsenkörner heraus und warf sie ebenfalls in den Kacheltopf, welchem sofort eine ganze Schwadron vollständig equipierte Reiter entstiegen. Allein da er Sybilski’s Worte nicht wusste, vermochte er sie nicht wieder in den Kacheltopf zu bringen, vielmehr setzten sich ihre Klingen auf seinem Buckel in unangenehme Bewegung, bis ihm der General zu Hülfe kam, der sie sofort Kehrt machen ließ, dahin wo sie hergekommen waren.

Übrignes soll Martin Pumphut auch früher schon zu Hildesheim sich als der Geist Hütchen gezeigt, auch dem Herzog von Friedland, Albrecht von Wallenstein, als graues Männchen wesentliche Dienste geleistet haben und endlich mit einem reizenden Frauenzimmer unter Hinterlassung jenes berüchtigten Hutes aus einem Gasthofe zu Paderborn zu Ende des siebenjährigen Krieges verschwunden sein.

Quelle: Karl Haupt: Sagenbuch der Lausitz. Gekrönte Preisschrift. Erster Theil: Das Geisterreich. Verlag von Wilhelm Engelmann, Leipzig 1862, Nr. 220, S. 185-187

Geschrieben am 19. Februar 2013 | Abgelegt unter Sagen

Die besiegte Mittagsfrau

Mittagsfrau Zeichnung von H.J.JankEinst hatte sich ein Mädchen beim Flachsjäten auf dem Felde verspätet, es hatte das Läuten der Mittagsglocke im Dorf nicht gehört. Da tauchte die Mittagsfrau auf. Das Mädchen bemerkte gerade noch, wie das scheußliche Weib hinter ihm stand und schon die Sichel hob, um es zu töten. Es sprang auf, raffte ebenfalls eine Sichel vom Feldrain und rief blitzenden Auges: »Ich fürchte mich nicht!« Das Weib wunderte sich. »Auch vor der Mittagsfrau nicht?« Das Mädchen erwiderte: »Vor niemandem!« Die Mittagsfrau lachte hämisch: »Du gefällst mir!« Darauf das Mädchen: »Und du mir gar nicht, es sei denn, dass du deine Sichel weglegst!« Die Mittagsfrau tat es und sagte: »Ich will dir dein Leben lassen, wenn du mir eine Stunde lang vom Flachs erzählen kannst!«»Nun, dann hast du verloren«, lachte das Mädchen, »denn warum sollte ich das nicht können?« Und es nahm sich vor, beim Sprechen jedes Wort recht lang zu ziehen; umso leichter würde es gewinnen. So begann es zu berichten:

»Mit dem Flachs hat man viel, sehr viel Arbeit. Schon im Herbst sucht der Bauer das beste Feld für den Flachs aus, ackert und eggt es, damit es von Unkraut rein sei. Sobald der Schnee abgetaut ist, wird der Acker mit dem Spaten umgegraben. Dann wird er mit eisernen Rechen fein gekrümelt und glatt gerecht, sodass er eben wie eine Tenne ist. Nun wird der beste und reinste Samen ausgesät. Junge Mädchen treten ihn Schritt für Schritt in die Erde ein. Ja, mit dem Flachs hat man sehr, sehr viel Arbeit! Manchmal picken Vögel die Körnchen auf und wer es mit dem Wetter nicht getroffen hat, dem zerstören Fröste die Saat.
Ist der Frühling vorgeschritten und grünt das Feld, dann eilt die fleißige Bauersfrau hinaus, um alles Unkraut auszujäten. Bald blüht der Flachs und groß ist die Freude, wenn die Stängel bei günstigem Wetter recht lang gewachsen sind. Die Ernte ist da und beim Morgentau oder auch bei feuchtem Wetter gehen Frauen und Mädchen aufs Feld. Sie raufen den Flachs aus und breiten ihn auf der Erde aus. Zu lange darf er nicht liegen, denn der Samen könnte aus den braunen Köpfchen rinnen. Die Stängel müssen zur rechten Zeit gewendet, dann in Bündel gebunden und in die Scheune gefahren werden. Nun holt der Bauer den eisernen Kamm vom Boden und riffelt die Köpfe von den Stängeln.

Welch herrlicher Samen wird aus ihnen gedroschen! Wird man ihn verkaufen? Nein und dreimal nein! Der Knecht wird jede Woche einmal zur Ölmühle fahren. Denn Leinöl braucht der Bauer so nötig wie das tägliche Brot. Man isst Kartoffeln und Leinöl; Salat und Gurken werden mit Leinöl gemacht. Und wem würde wohl Kuchen schmecken, in dem nicht genügend Leinöl wäre? Und wenn alle Butter in der Stadt verkauft worden ist, dann schmeckt auch eine Schnitte mit Leinöl. Die gebündelten Flachsstängel werden in einen Bach gelegt, damit sie etwa eine Woche wässern. Dann wird der Flachs auf Stoppelfelder gefahren und von der Hausfrau und den Mägden so aufgestellt, dass die Bündel unten recht weit auseinanderstehen. Oben werden sie mit einem Strohseil zusammengehalten. Nach einigen Tagen wird das Seil nach unten geschoben, und der obere Teil kann austrocknen.
Wenn die kalten Herbstwinde über die Felder wehen, wird der Flachs in den Backofen gestellt, um zu dörren. Dann kommt er zum Brechen und Hecheln. Dabei fallen alle holzigen Teile als kleine Schuppen zur Erde. Das Werg, das sind die langen Fasern, behält die Hausfrau in der Hand. Es wird zum Rocken zusammengebunden. Nun holt man die Spinnräder vom Boden und die jungen Mädchen eilen an den langen Winterabenden zur Spinnstube und zur fröhlichen Unterhaltung. Das gesponnene Garn lässt man weben und wenn die Wiesen wieder grünen, wird das noch graue Linnen schneeweiß gebleicht …«
Wie im Fluge verging die Zeit und noch ehe das Mädchen mit seinem Bericht fertig war, schlug die Uhr eins. Die Mittagsfrau sagte: »Du hast gewonnen, ich bin überwunden und als Besiegte kehre ich nie mehr zurück!« Nach diesen Worten verschwand sie, ließ dabei sogar ihre Sichel liegen und kein Mensch ist ihr seitdem jemals wieder begegnet.

aus „Sagen der Lausitz“  Zusammengestellt von Erich Krawc erschienen im  Domowina Verlag 1962

Geschrieben am 18. Februar 2013 | Abgelegt unter Sagen

Die Murawa

„Ein Fleischer- und ein Bäckergesell wanderten einst in die Fremde. Der Bäcker wurde bald matt, da er brustkrank war, legte sich hin und schlief ein. Der Fleischer wusste nichts Besseres zu tun, und folgte seinem Beispiel. Es währte aber nicht lange, so wurde er munter. Er bemerkte, wie sein Mitgesell stöhnte und sich im Schlafe hin und her wand. Indem er noch auf den Schlafenden blickte, sah er, wie eine Schlange aus dem Munde desselben kroch. Die Schlange war ganz schleimig und schlug im Grase mit dem Schwanz hin und her, bis sie trocken war. Darauf kroch sie zum zweiten Male in den Mund des Schlafenden und wieder stöhnte und wand sich dieser. Als sie darauf wieder aus dem Mund desselben herausgekrochen kam, erschlug sie der Fleischer. Der Bäcker wachte nach einiger Zeit auf. Er fühlte sich gesund und munter und litt fortan nicht mehr an der Brust. Also muss die Schlange die Murawa gewesen sein.“

aus „Sagen der Lausitz“  Zusammengestellt von Erich Krawc erschienen im  Domowina Verlag 1962

Geschrieben am 18. Februar 2013 | Abgelegt unter Sagen

Die Roggenmuhme

Wenn das Getreide am höchsten steht und die sommerliche Mittagshitze sich über Feld und Wiese ausbreitet, dann geht die Roggenmuhme über Land. Unsichtbar schwebt sie einher, und wenn sie Kinder am Rande des Kornfeldes sieht, die Mohn- und Kornblumen suchen, dann lockt sie das ahnungslose Völkchen immer tiefer in das wogende Meer der Halme. Wehe den Kleinen, die ihr folgen! Bald schlagen die Halme über den Köpfen der Kinder zusammen, sie werden von unerträglicher Müdigkeit befallen und sinken mit glühend heißer Stirn und brennenden Wangen in dem lispelnden Gewoge zu Boden.
Deshalb sind die Mütter ängstlich bedacht, ihre Kinder an Julitagen nicht aufs Feld zu schicken; denn die Roggenmuhme sitzt auf der Lauer.

aus „Sagen der Lausitz“  Zusammengestellt von Erich Krawc erschienen im  Domowina Verlag 1962

Geschrieben am 18. Februar 2013 | Abgelegt unter Sagen

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