Sagen des Schradens
Die sumpfige Niederung und die einst dichten einsamen Wälder des Schradens boten Stoff für eine ganze Reihe von Sagen, von denen einige in den „Liebenwerdaer Heimatkalendern“ und in der „Schwarzen Elster“, einer heimatkundlichen Beilage des Liebenwerdaer Kreisblattes, veröffentlicht wurden.
Die Nixen von Seifertsmühl
Vor langen Jahren lebten im Seifertsmühler Mühlteich bei Merzdorf zwei Nixen glücklich und zufrieden mit ihrem alten Vater tief unter dem Wasserspiegel in ihrem Schloß. Zuweilen in mondhellen Nächten kamen sie herauf und tanzten und sangen auf der Mühlwiese. Wenn aber aus dem Tanzsaal, der unweit der Mühle stand, der Klang der Fiedel herüberklang, dann sehnten sich die Nixen danach, auch einmal unter den Menschenkindern im erleuchteten Saal auf blankem Boden mittanzen zu können. Aber der alte Nix schlug ihnen diese Bitte hartnäckig ab. Endlich nach wiederholten Bitten und langem Zögern gab er doch nach und erteilte ihnen die Erlaubnis unter der Bedingung, daß sie vor Tagesanbruch wieder im Wasser sein müßten. So erschienen sie in einer schönen Sommernacht auf dem Tanzsaal, und alles staunte über ihre Schönheit und ihre wunderhübschen Gewänder. An Tänzern fehlte es nicht. Den Nixen gefiel es so gut, daß sie auch den letzten Tanz nicht auslassen wollten. Dann aber verschwanden sie unbemerkt und schnell, wie sie gekommen waren. Sie eilten zum Mühlsteig, doch inzwischen ging die Sonne auf. Zu ihrem Schrecken fanden sie Teich und Bach leer, das Schloß war verschwunden und der Vater trotz Rufens nicht zu finden. Weinend gedachten sie seiner Worte. Die Lust am Tanze hatte ihnen die Heimat geraubt! Was blieb ihnen übrig? Sie mußten sich in der Nähe eine Quelle suchen, in deren Wasser sie schnell verschwanden. Gleich darauf kamen Krähen herbei und mauerten den Born bis obenhin zu, um die Nixen künftig von den Menschen fernzuhalten. Er hieß fortan der Krähenborn. Später sollen die Nixen weiter nach Norden gezogen sein. Beim Tanz hat sie niemand wieder gesehen. Nixensagen finden sich an vielen Gewässern, besonders in den ehemals sorbischen Gebieten, bei uns an Elbe, Elster und Röder sowie mehreren Teichen. Sie gehören zu den anmutigsten Schöpfungen der Volksdichtung.
(Vgl. die Nixensagen in den Heimatkalendern 1955, 1956 und 1959.) B. Schulz in Heimatkalender 1928, leicht gekürzt
Die Sage vom Reißdamm
Das hiesige Vorwerk Reißdamm um Schraden zwischen Elsterwerda und Plessa war in uralten Zeiten eine Wasserburg, die ihren damaligen Standort allerdings mehr nach Merzdorf zu hatte. Auf dieser Burg hauste ein einsamer Ritter, dem die umliegenden Dörfer im Schraden zinspflichtig waren. In jedem Jahre forderte er zu einer gewissen Zeit aus einem dieser fronpflichtigen Dörfer das schönste Mädchen zu seiner Frau. Das war aber bereits schon mehr als dreißig Mal geschehen und die Bewohner der Dörfer waren mit Grimm über dieses Treiben erfüllt, weil keines der dreißig Mädchen jemals wieder zurückgekehrt war. Einmal aber trug sich folgende Geschichte zu: Auf einer einsamen Straße zwischen Merdorf und Krauschütz zog ein junger Wanderer seines Weges, als ihm kurz vor Krauschütz eine Schar klagender Weiber begegnete.
Nach dem Grund ihres Leides befragt, antworteten die Frauen: „Guter Mann, wer ihr auch seid, helft uns in unserer großen Angst und Not, denn bisher hat noch keiner helfen können.“ Der Wanderer wollte wissen, welche Not sie plage. Da sagten ihm die Weiber: „Es ist wieder die Zeit, wo der finstere Ritter das schönste Mädchen aus unserem Dorfe fordert. Heute abend will er sie holen und auf seine Burg führen. In diesem Elend leben wir von Jahr zu Jahr, denn wir wissen nicht, wo unsere Töchter bleiben.“ Der Fremde bedachte sich eine kurze Zeit und sagte dann, daß er ihnen helfen wird. Er ließ sich genau berichten, wann und Der böse Zauberer im Schraden auf welchem Wege der Ritter kommt und seinen Raub entführt. Er erfuhr auch, daß die dem Ritter untertänigen Bauern auf dem Wege, den der Ritter benutzt, große Reisigbündel in den Sumpf werfen mußten, damit der Ritter mit seiner schönen Last nicht versank. Die Bauern mußten also einen Damm aus Reisig legen, der heute noch dem Vorwerk Reißdamm seinen Namen gibt. Dem jungen Wanderer verflog alle Müdigkeit, als er an die Ausführung seines Planes ging, dem Mädchenräuber das Handwerk zu legen. Er wählte einen beherzten jungen Mann aus dem Dorfe aus und weihte ihn in seine Pläne ein. Sie hängten sich große weiße Bettücher um und hielten sich in einem dichten Gebüsch in der Nähe des Reißdammes verborgen. Als die Dämmerung hereinbrach, hörten sie einen Lärm und wußten, daß jetzt ihre Stunde gekommen war. Die Bauern schleppten mühselig die schweren Reisigbündel heran und warfen sie in den Sumpf. Die Knechte des Ritters trieben mit rohen Worten und Schlägen die Bauern an, denn dicht hinter ihnen kam bereits der Ritter mit dem Mädchen im Sattel, dem er, wie in jedem Jahre, ein schönes Kleid geschenkt hatte. Weil die Dämmerung schon stark hereinbrach, drängte auch der Ritter auf die Bauern ein, damit sie schneller die Reisigbündel warfen. Plötzlich flatterten aus einem Erlengebüsch zwei Gespenster heraus. Das Pferd des Ritters scheute und sprang mit einem gewaltigen Satz vom Reisigdamm in den Sumpf. In diesem Augenblick griffen die Arme der Männergespenster zu und entrissen dem Ritter das Mädchen vom Pferde. Der Ritter aber und sein Pferd versanken für immer im Moor. Die Ritterknechte waren vor Schreck und Furcht wie gelähmt und entflohen diesem unheimlichen Orte. Das Mädchen wurde ihren Eltern zurückgegeben und unter Führung des jungen Wanderers zogen die Bauern zur Burg des Ritters. Man fand dort die grausige Hinterlassenschaft dieses Wüstlings. In einem Gewölbe waren die Köpfe sämtlicher Mädchen, die er bisher gefordert hatte, der Reihe nach aufbewahrt. Die langen Zöpfe waren nach vorn geflochten. Da wußten die Bauern dem fremden Wanderer herzlichen Dank, weil er durch seine Tat diese Heimsuchung ihrer Dörfer und den Tod der Mädchen fortan abgewendet hatte. Sein Name ist nicht überliefert. Von der erbitterten Bauernschar, von den Weibern und Mädchen aber wurde noch in der gleichen Nacht das Nest des Ritters niedergebrannt und nie mehr wieder aufgebaut. Vor nicht zu ferner Zeit soll noch die Stelle, wo sich dieses ereignet hat, durch Trümmer und Mauerspuren zu finden gewesen sein. (Von Adolf Bieß, Plessa)
Die Merzdorfer Brautfahrt
Zwischen Merzdorf und Prösen dehnten sich in alter Zeit große Sümpfe und Wasserflächen aus, so daß der Verkehr zwischen beiden Dörfern oft zu Kahn stattgefunden haben soll. Nun hatte eine Dorfschöne aus Merzdorf ihr Herz einem Prösener Burschen geschenkt und wollte eines Tages zu ihrem Auserwählten nach Prösen, um mit ihm Hochzeit zu halten. Der Bräutigam und die Verwandten hatten sich vor dem Dorfe auf einem Hügel versammelt, um die Braut im festlichen Zuge nach alter Sitte einzuholen. In der Ferne sahen sie schon die Braut im Kahne die Wasserfläche überqueren. Das war ein freudiges Winken hüben und drüben. Auf einmal hörten sie gellende Schreie. Der Kahn war in den Strudel gekommen und gekentert. Das Mädchen streckte hilfesuchend die Arme aus und versank vor den Augen des Bräutigams und der Hochzeitsgäste im Wasser. Kurz entschlossen sprang der Bräutigam aber ins Wasser und schwamm auf den gekenterten Kahn zu. Unter eigener Lebensgefahr konnte er Braut und Kahn glücklich retten. Der Beifall und Jubel der versammelten Prösener war groß. So zog das junge Paar glücklich im Dorfe ein und besiegelte den Bund fürs Leben. (M. Gebhardt im Heimatkalender 1939)
Um einen geraubten Altar geht es in einer Großkmehlener Sage, von der es verschiedene Versionen gibt. Ein Ritter soll einst einen Flügelaltar zur Geisterstunde aus einer fremden Kirche gestohlen und in sein Schloss gebracht haben. Um ihrem Sohn die damals übliche Strafe für Kirchenräuber, in Öl gesiedet zu werden, zu ersparen, ermordete die Mutter des Ritters ihn schließlich hinterrücks mit einem Dolch. Ein nichtentfernbarer Blutfleck im Putz soll jahrhundertelang von dieser Tat gezeugt haben.
Von einem ermordeten Reisenden handelt die Sage vom Steinkreuz von Elsterwerda, das sich in Richtung Großenhain am Ortsausgang des Ortes befindet.
Eine Sage, welche in ihrem Kern der Wahrheit sehr nahe kommen dürfte, erzählt hier von einem Mord an einem Reisenden durch einen Prösener Postillion:
Dieser soll einst seinen einzeln reisenden Fahrgast im Frauenhainer Pfeifholz, wegen seiner wohlgefüllten Geldbörse erschlagen und später am Standort des Kreuzes unter hohen Eichen begraben haben. Viele Jahre konnte er diesen Mord verheimlichen. Jedoch soll es fortan an dieser Stelle gespukt haben und mehrfach erschien ein Geist den vorbeikommenden Leuten. Als später einmal der Mörder selbst dort vorbeikam, jagte ihm der Geist einen so großen Schrecken ein, dass er bald darauf krank wurde und verstarb. Auf dem Totenbett soll er seine schreckliche Tat gestanden haben. Erst als die Verwandten des Täters ein Sühnekreuz am Grab des Opfers aufstellen ließen, beruhigte sich der Geist und er erschien nicht wieder.
Im Wald zwischen Plessa und Döllingen soll es einst eine mit einem Kreuz aus Waldmoos gekennzeichnete Stelle gegeben haben, an der ein Gutsbesitzer begraben wurde, der aus Gram über eine gestohlene Egge gestorben sein soll.
Weitere Sagen sind: Das Steinerne Kreuz und die Pestilenz in Mückenberg (Lauchhammer), Der Fuhrmann von Plessa, Die Mordgrubenbrücke (Krauschütz), Der Teufel im Schäferhaus (Dreska) und Der böse Jäger (Lindenau).
nach Luise Grundmann, Dietrich Hanspach „Der Schraden“ 2005