H.J.Jank

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Über die Ludki oder die Luttchen

Lutchen Zeichnung von H.J.JankDie Ludki, verdeutscht Luttchen, gibt es nur in den beiden Lausitzen. Es sind kleine Leutchen, wie aus ihrem slawischen Namen ersichtlich. Sie wohnen abseits von den Menschen in den sandigen Hügeln der Niederlausitz, denn sie scheuen den Klang der Kirchenglocken und das Geschrei der Kinder in den Dörfern. Auch das Pfeifen, mit dem die Menschen ihr Vieh rufen und das Brummen, mit dem die Menschen häufig miteinander umgehen, mögen sie nicht. So wird das heimliche Leben der Ludki von unseren Vorfahren begründet.  Doch kamen sie vielfach in die Dörfer der Wenden, deren Sprache sie nur sehr unvollkommen sprachen, so daß man nicht sicher sein konnte, ob ein Ja auch als ja zu verstehen sei oder ob es ein Nein bedeuten sollte. Das brachte manche Schwierigkeit und manches Mißverständnis mit sich. Oft liehen sich die kleinen Leute von den Menschen Werkzeuge. Einen Backtrog, zum Beispiel, oder auch eine Säge und anderes. Man lieh ihnen gern, denn es waren durchweg ehrliche Kerlchen, die sorgsam mit den ausgeliehenen Dingen umgingen und sie immer umgehend zurück brachten. Auch brachten sie dem Eigentümer etwas mit für das ausgeliehene Stück, etwa ein kleines Brot für den Backtrog.
Bei aller Abgeschiedenheit ihres Daseins sind die kleinen Leute tüchtig und hilfsbereit. Sie helfen den Menschen bei vielerlei Arbeiten im Haus, auf dem Hof und auf den Feldern. Gute Geister eben, wenn sie von den Menschen gut behandelt werden. Unsere Altvorderen stellten ihnen daher des Abends ein kleines Näpfchen mit Speisen auf die Türschwelle, welche sie gern annahmen. Wenn am Morgen die Näpfchen leer waren, freuten sich die Menschen. Das war nämlich ein untrügliches Zeichen dafür, daß die Ludki oder Luttchen die Speisen auch dankend angenommen hatten. Verärgern aber durfte und wollte man die kleinen Leute nicht, rechnete man doch auf sie, wenn man ihrer wirklich einmal bedurfte.
Böse konnten die Luttchen werden, wenn man sie ärgerte oder sich undankbar erwies. Ansonsten waren sie die guten Geister des Hauses. Verträglich und hilfsbereit. Dies nicht nur im Hause, sondern auch bei der Arbeit in Feld und Flur. Einem pflügenden Bauern, welcher erschöpft in der Mittagsglut hinter seinem Pflug einherschritt und der bei sich dachte: jetzt wäre ein Krug Buttermilch und ein Stück Brot gut, fand, als er seinen Pflug wendete, beides neben der Pflugfurche. Ein anderer Bauer glaubte bei der Wiesenmahd hinter sich Geräusche von Kuchenblechen zu hören und murmelte vor sich hin: oh, wie gern würde ich jetzt ein Stück Kuchen essen, worauf zwei Luttchen erschienen und ihm einen Kuchen brachten. „Laß es Dir schmecken, Bauer, aber laß den Kuchen ganz!“ Der Bauer stutzte, bedankte sich, zog sein Messer und schnitt den Kuchen so aus, daß der Rand als ganzer Ring übrig blieb. Den großen inneren Kuchenteil verzehrte er mit Appetit. Dafür wurde er von den Ludki gelobt. Einem Menschen mit Verstand waren die kleinen Leute stets gewogen, wenn er letzteren nicht dafür nutzte, um andere zu übervorteilen.
Auch wer ihnen nicht begegnete, dem boten sich in alter Zeit vielfältige Belege ihrer Existenz oder doch zumindest ihrer vormaligen Existenz. Die Urnenfelder mit ihren tönernen Gefäßen wurden ihnen zugeschrieben. Die kleinen Henkel an den Gefäßen waren so recht für die Hände der Luttchen gemacht. Auch der Leichenbrand in den Tongefäßen mit den kleinen Knochenresten deutete auf die kleinen Leute. Den Dörflern boten die Ludki geradezu eine Erklärung für die Gefäße, welche in der Nachbarschaft ihres Dorfes gefunden wurden. Bei dieser Herkunft der Gefäße war es dann auch kein Wunder, daß diese Töpfe nun auch wunderbare Eigenschaften hatten. Als Viehtränke genutzt, beugten sie Krankheiten vor. Die Sahne, welche in ihnen gesäuert wurde, war fetter und ergab eine schmackhaftere Butter als die, welche in den seinerzeit üblichen Tontöpfen gesäuert wurde. Bei den auch sonst sympathischen Eigenschafte der Luttchen war das auch zu erwarten gewesen.

aus „Sagen und Märchen aus der Lausitz“ Herausgegeben von Hubrich-Messow, Gundula 2012

Geschrieben am 23. Februar 2013 | Abgelegt unter Sagen

Der Schlangenkönig I

Schlangenkoenig Zeichnung von H.J.JankEin fremder Graf war aus Italien in die Lausitz gekommen. Er erfuhr von den Leuten, dass es im Spreewald einen Schlangenkönig gäbe; der spiele mit den übrigen Schlangen oft auf der Waldwiese und lege dabei seine Krone an einer sonnigen Stelle ab. Der Graf war habgierig und beschloss, die Krone des Schlangenkönigs zu rauben. Er suchte daher, bis er die Wiese gefunden hatte und beobachtete, wie die Schlange ihre Krone auf einen sauberen Fleck, am liebsten auf etwas Weißes ablegte, um dann mit den übrigen zu spielen und sich in der Sonne zu tummeln. Eines schönen Tages ritt der Graf zu den Schlangen, breitete ein weißes Tuch auf der Wiese aus und versteckte sich hinter einem Strauch. Die Tiere kamen auch bald, und der Schlangenkönig legte seine Krone auf das Tuch. Dann spielten sie etwas abseits in der Sonne. Gerade das hatte der habsüchtige Graf erhofft. Schnell schlich er zu dem Tuch, erfasste es mitsamt der Krone, schwang sich aufs Pferd und ritt im Galopp davon. Im Nu jagte eine große Schar Schlangen hinter dem Dieb her. Er ritt, soviel das Pferd hergab, übersprang eine hohe Mauer und entging den Verfolgern. Mit der Krone wurde der Graf reich und ließ sich ein Schloss bauen. Zum Wappenschild erwählte er eine Mauer und eine gekrönte Schlange.

Quelle: Sagen der Lausitz, Domowina-Verlag Bautzen, 1990

Geschrieben am 23. Februar 2013 | Abgelegt unter Sagen

Der Wassermann

Wassermann Zeichnung vo H.J.JankNykus genannt, sowie seine Gemahlin verlocken an See und Flüssen die Vorübergehenden zum Baden und ertränken sie sodann. Er thut dies auch mit Jedem, der in seinen Bereich kommt, denn er muß alle Jahre seine gewisse Anzahl Opfer bekommen, es seien nun Menschen oder Thiere. Wenn seine Frau an dem Ufer der Gewässer Wäsche trocknet, so ist regnerische Witterung und großes Wasser zu erwarten. Er erscheint in einer von einem Menschen in nichts unterschiedener Gestalt, und ist er auf trockenem Lande, so ist er unkräftig und man kann ihn gefangen nehmen und zu einem Diener machen. Mit seiner Frau zeugt er auch Kinder und diese gehen mit den Kindern der Menschen um. Die Töchter kommen auch wohl zum Tanze und verlieben sich in die hübschen Burschen. So kamen z.B. die Töchter des Wassermannes, wenn in der Schenke Musik war, vor alten Zeiten auch immer dahin und tanzten ohne Scheu mit den jungen Burschen. Sie waren sehr schön und dabei hübsch geputzt und von den andern Mädchen nur dadurch zu unter scheiden und als Töchter des Wassermannes zu erkennen, daß ihr Rock stets einen nassen Saum hatte. Die eine verliebte sich in einen Burschen, welcher der schöne Georg hieß, ebenso er sich in sie, aber er scheute sich doch, in ihre Wohnung mitzugehen. Der Wassermann hatte aber damals seine Wohnung in dem an der Spree gelegenen und der Herrschaft gehörigen Teiche, welcher den Namen Ramusch führt und durch den jetzt der Fluß geleitet ist. Er begleitete seine Geliebte öfters bis hierher und ging auch endlich mit ihr. Der schöne Georg erzählte hierauf, sie habe, als sie zu dem Teiche gekommen, eine neue Gerte genommen und damit ins Wasser geschlagen. Dieses habe sich nun getheilt und sie wären auf einem schönen grünberasten Wege zu der Wohnung des Wassermannes gekommen und in dieselbe hineingegangen. Dort wäre es sehr schön gewesen und man habe ihn außerordentlich gut aufgenommen etc.

Quelle: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen.
Band 2  Seite 197 bis 198 Dresden 1874 von Johann Georg Theodor Grässe

Geschrieben am 23. Februar 2013 | Abgelegt unter Sagen

Die besiegte Mittagsfrau

Mittagsfrau Zeichnung von H.J.JankEinst hatte sich ein Mädchen beim Flachsjäten auf dem Felde verspätet, es hatte das Läuten der Mittagsglocke im Dorf nicht gehört. Da tauchte die Mittagsfrau auf. Das Mädchen bemerkte gerade noch, wie das scheußliche Weib hinter ihm stand und schon die Sichel hob, um es zu töten. Es sprang auf, raffte ebenfalls eine Sichel vom Feldrain und rief blitzenden Auges: »Ich fürchte mich nicht!« Das Weib wunderte sich. »Auch vor der Mittagsfrau nicht?« Das Mädchen erwiderte: »Vor niemandem!« Die Mittagsfrau lachte hämisch: »Du gefällst mir!« Darauf das Mädchen: »Und du mir gar nicht, es sei denn, dass du deine Sichel weglegst!« Die Mittagsfrau tat es und sagte: »Ich will dir dein Leben lassen, wenn du mir eine Stunde lang vom Flachs erzählen kannst!«»Nun, dann hast du verloren«, lachte das Mädchen, »denn warum sollte ich das nicht können?« Und es nahm sich vor, beim Sprechen jedes Wort recht lang zu ziehen; umso leichter würde es gewinnen. So begann es zu berichten:

»Mit dem Flachs hat man viel, sehr viel Arbeit. Schon im Herbst sucht der Bauer das beste Feld für den Flachs aus, ackert und eggt es, damit es von Unkraut rein sei. Sobald der Schnee abgetaut ist, wird der Acker mit dem Spaten umgegraben. Dann wird er mit eisernen Rechen fein gekrümelt und glatt gerecht, sodass er eben wie eine Tenne ist. Nun wird der beste und reinste Samen ausgesät. Junge Mädchen treten ihn Schritt für Schritt in die Erde ein. Ja, mit dem Flachs hat man sehr, sehr viel Arbeit! Manchmal picken Vögel die Körnchen auf und wer es mit dem Wetter nicht getroffen hat, dem zerstören Fröste die Saat.
Ist der Frühling vorgeschritten und grünt das Feld, dann eilt die fleißige Bauersfrau hinaus, um alles Unkraut auszujäten. Bald blüht der Flachs und groß ist die Freude, wenn die Stängel bei günstigem Wetter recht lang gewachsen sind. Die Ernte ist da und beim Morgentau oder auch bei feuchtem Wetter gehen Frauen und Mädchen aufs Feld. Sie raufen den Flachs aus und breiten ihn auf der Erde aus. Zu lange darf er nicht liegen, denn der Samen könnte aus den braunen Köpfchen rinnen. Die Stängel müssen zur rechten Zeit gewendet, dann in Bündel gebunden und in die Scheune gefahren werden. Nun holt der Bauer den eisernen Kamm vom Boden und riffelt die Köpfe von den Stängeln.

Welch herrlicher Samen wird aus ihnen gedroschen! Wird man ihn verkaufen? Nein und dreimal nein! Der Knecht wird jede Woche einmal zur Ölmühle fahren. Denn Leinöl braucht der Bauer so nötig wie das tägliche Brot. Man isst Kartoffeln und Leinöl; Salat und Gurken werden mit Leinöl gemacht. Und wem würde wohl Kuchen schmecken, in dem nicht genügend Leinöl wäre? Und wenn alle Butter in der Stadt verkauft worden ist, dann schmeckt auch eine Schnitte mit Leinöl. Die gebündelten Flachsstängel werden in einen Bach gelegt, damit sie etwa eine Woche wässern. Dann wird der Flachs auf Stoppelfelder gefahren und von der Hausfrau und den Mägden so aufgestellt, dass die Bündel unten recht weit auseinanderstehen. Oben werden sie mit einem Strohseil zusammengehalten. Nach einigen Tagen wird das Seil nach unten geschoben, und der obere Teil kann austrocknen.
Wenn die kalten Herbstwinde über die Felder wehen, wird der Flachs in den Backofen gestellt, um zu dörren. Dann kommt er zum Brechen und Hecheln. Dabei fallen alle holzigen Teile als kleine Schuppen zur Erde. Das Werg, das sind die langen Fasern, behält die Hausfrau in der Hand. Es wird zum Rocken zusammengebunden. Nun holt man die Spinnräder vom Boden und die jungen Mädchen eilen an den langen Winterabenden zur Spinnstube und zur fröhlichen Unterhaltung. Das gesponnene Garn lässt man weben und wenn die Wiesen wieder grünen, wird das noch graue Linnen schneeweiß gebleicht …«
Wie im Fluge verging die Zeit und noch ehe das Mädchen mit seinem Bericht fertig war, schlug die Uhr eins. Die Mittagsfrau sagte: »Du hast gewonnen, ich bin überwunden und als Besiegte kehre ich nie mehr zurück!« Nach diesen Worten verschwand sie, ließ dabei sogar ihre Sichel liegen und kein Mensch ist ihr seitdem jemals wieder begegnet.

aus „Sagen der Lausitz“  Zusammengestellt von Erich Krawc erschienen im  Domowina Verlag 1962

Geschrieben am 18. Februar 2013 | Abgelegt unter Sagen